20.03.2014

Die Rechte der Kinder auf Sicherheit in der EU

Die Länder müssen vermehrt bewährte Präventionsmaßnahmen in diesem Bereich aufgreifen

Die Rechte der Kinder auf Sicherheit in der EU Bild mit Kindern SAFTEY

Vorsätzliche Kindesverletzung ist sowohl ein wichtiges Thema des Gesundheitswesens als auch ein Thema der Menschenrechte. Die Vereinten Nationen haben eindeutig erklärt, dass „keine Gewalt gegen Kinder gerechtfertigt ist; jegliche Gewalt gegen Kinder ist vermeidbar“.

Von den ca. 35 000 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen 0 und 19 Jahren, die jedes Jahr in der EU sterben, sind etwa 24 % oder grob 9 100 Todesfälle Verletzungen zuzuschreiben. Etwa ein Drittel dieser Todesfälle werden als vorsätzlich oder durch unbestimmte Umstände eingestuft. Todesfälle durch vorsätzliche Verletzung sind jedoch nur die Spitze des Eisbergs, und auch hier, wo die besten Daten vorliegen, lassen die Evidenzen vermuten, dass Todesfälle durch Misshandlung, die als Kindestötung kodiert werden, nur etwa 20 - 33 % der tatsächlichen Fälle widerspiegeln. Isabelle Durant, Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, erklärte (sinngemäß): „Gewalt gegen Kinder muss weiterhin mit kritischer Aufmerksamkeit beachtet werden, und wir müssen dies nachdrücklich wiederholen, statt den Mantel des Schweigens darüber zu breiten. Zusätzlich zu dem, dass wir anwenden, was wir bereits wissen, brauchen wir mehr Forschung und bessere Datensysteme, und zwar vor allem für alle Arten nicht tödlicher vorsätzlicher Kindesverletzungen, die auch Informationen über die Kosten der Gewalt gegen Kinder und ihrer Verhütung enthalten.“

Zwischen den Ländern der EU gibt es große Schwankungen bei den Quoten für Todesfälle durch vorsätzliche Verletzungen; es besteht ein mehr als zehnfacher Unterschied zwischen den Ländern mit den höchsten und den niedrigsten Quoten. Aber es gibt evidenzbasierte Präventionsstrategien, die Kinder besser vor Gewalt schützen würden, wenn sie in der EU einheitlich aufgegriffen, implementiert und gegebenenfalls durchgesetzt würden.

Heute wird der Bericht über Nationale Aktion zur Behandlung vorsätzlicher Kindesverletzung herausgegeben, der vorhandene politische Maßnahmen zur Behandlung der vorsätzlichen Kindesverletzung untersucht, indem er die Annahme, Implementierung und Durchsetzung von politischen Maßnahmen auf einzelstaatlicher Ebene zur Verhütung vorsätzlicher Verletzung in 25 Mitgliedstaaten beschreibt. Der Bericht enthält einen Überblick für mehrere Länder über die Aktionen in Verbindung mit Federführung, Rechten der Kinder, Kapazitäten und Daten zur Erleichterung der Planung auf europäischer Ebene zur Unterstützung der Bemühungen auf einzelstaatlicher Ebene. Neben einer Zusammenfassung der Ergebnisse aus den teilnehmenden Mitgliedstaaten finden sich in dem Bericht auch Profile politischer Maßnahmen aus einzelnen Ländern, welche die evidenzbasierten Maßnahmen beschreiben, die in diesen vier Bereichen bis Juli 2013 zur Behandlung von vorsätzlicher Kindesverletzung ergriffen wurden.

Die Ergebnisse in diesem Bericht zeigen, dass zwar viele politische Maßnahmen ergriffen wurden, aber noch mehr getan werden muss, um sicherzustellen, dass sie umfassend umgesetzt und implementiert und darüber hinaus mit entsprechenden Mitteln für das Erreichen der gewünschten Wirkung unterstützt werden. Joanne Vincenten, Leiterin, European Child Safety Alliance, sagte: „Es mangelt an der Aufsicht und Überwachung der politischen Maßnahmen zur Behandlung vorsätzlicher Kindesverletzung in den Mitgliedstaaten. Es ist ganz wichtig zu wissen, ob und wie gut Präventionsmaßnahmen implementiert werden und welche Wirkung sie zeitigen, andernfalls ist diese Investition zum Schutz der Kinder vergebens.“

Zu den Beispielen einer uneinheitlichen Annahme von nachweislichen Präventionsmaßnahmen gegen vorsätzliche Kindesverletzung in den teilnehmenden Ländern, die in dem Bericht über Nationale Aktion zur Behandlung vorsätzlicher Kindesverletzung genannt werden, gehören Folgende:

  • Nur zehn Länder (33 %) verfügen über eine übergeordnete Strategie, die sich mit den drei wichtigsten Arten der vorsätzlichen Verletzung, die von diesem Bericht abgedeckt werden, befasst. Einige andere Länder haben von mehreren Strategien berichtet, die gemeinsam das Problem abdeckten, aber es gibt keine übergeordnete Strategie zur Koordinierung der Bemühungen.

  • Nur 19 (63 %) verfügen über ein Gesetz, das körperliche Züchtigung unter allen Umständen untersagt. Die meisten der 11 Länder, die körperliche Züchtigung noch nicht unter allen Umständen verboten haben, müssen dies noch für die häusliche Umgebung tun, obwohl mehrere sich noch mit der Umgebung der alternativen Betreuung und dem institutionellen Rahmen befassen müssen.

  • Aus den Antworten ging hervor, dass vier der teilnehmenden Länder (13 %) keinen speziellen nationalen Ombudsmann für Kinder haben (Tschechische Republik, Deutschland, Portugal und Rumänien), während zwei weitere (Bulgarien und Spanien) die Kriterien nur teilweise erfüllen.

  • Laut den Antworten verfügt knapp die Hälfte der teilnehmenden Länder über ein Programm im Rahmen des Gesundheitswesens für Hausbesuche bei jungen Eltern, das auch die Prävention gegen Kindesmisshandlung umfasst, und etwas mehr als ein Drittel von ihnen geben an, dass das Programm nur als teilweise umgesetzt angesehen werden kann, vor allem, weil es wenig Aufsicht gibt.

  • Weniger als die Hälfte der teilnehmenden Länder verfügt über eine nationale Politik, laut der es in Schulen einen ständigen Ausschuss gegeben muss, der sich aus Lehrern, Schülern und Eltern zusammensetzt und die Aufgabe hat, sich mit Gewalt in der Familie und in der schulischen Umgebung einschließlich interpersoneller Gewalt und Mobbing/Cyber-Mobbing zu befassen; von den 14 Ländern, die über eine solche Maßnahmen berichteten, soll diese in nur sechs Ländern umfassend implementiert sein.

  • Nur 20 von 30 Ländern (67 %) verfügen über eine nationale politische Maßnahme/Leitlinie für Schulen zur Ausarbeitung eines schulbasierten Suizid-Präventionsprogramms, doch über die Hälfte von ihnen gab an, diese Maßnahme sei nur teilweise implementiert.

  • Aus den Antworten geht hervor, dass nur England, Ungarn, Irland und Schottland entweder über ein nationales Programm zur multidisziplinären Überprüfung von Kindertodesfällen oder über regionale Programme im ganzen Land verfügen, die auch das Aussprechen spezifischer präventionsbezogener Empfehlungen umfassen.

Obwohl das Aufgreifen und Umsetzen einiger der in diesem Bericht bewerteten evidenzbasierten Maßnahmen ermutigend ist, ist der Konjunkturabschwung aus der letzten Zeit ein weiterer Anlass zur Sorge. „Als Ergebnis der Wirtschaftskrise leiden mehr Familien unter höherem finanziellem Druck, wodurch viele nun unterhalb der Armutsgrenze leben. Dies erhöht die Gefahr durch alle Formen von Gewalt, vor allem das Risiko von Misshandlung/Vernachlässigung/Missbrauch und Selbstmord von Kindern“, erklärte Bernard de Vos, Vorsitzender des Europäischen Netzwerks der Ombudsleute für Kinder. „Es gibt erste Anzeichen dafür, dass sich die eingeführten Sparmaßnahmen auf die Gesundheit und Sicherheit der Kinder auswirken. Wir müssen dafür sorgen, dass dies sorgfältig überwacht wird und dass Sicherungen für diese Zeit der Ausgabenkürzungen der Regierungen eingerichtet werden, um sicherzustellen, dass die Rechte der Kinder auf Sicherheit geachtet werden.“

Vorsätzliche Verletzung tritt in vielen Situationen auf, und ihre Prävention bedeutet und verlangt effiziente Partnerschaften und die Miteinbeziehung von Fachleuten aus zahlreichen Sektoren wie Gesundheitswesen, Bildung, Recht und Sozialdienste.

„Wir müssen dringend dafür sorgen, dass angemessene professionelle Kapazitäten für die Behandlung der Sicherheitsbedürfnisse von Kindern und Familien zur Verfügung stehen, um ein frühes Eingreifen und die kontinuierliche Versorgung von denjenigen, die von Gewalt bedroht sind, zu unterstützen“, sagte Octavian Bivol, UNICEF, Regionalbeauftragter für MOE-GUS. „Effiziente und umfassende Bereitstellung von Dienstleistungen durch geschulte Fachleute sowohl für Prävention als auch Behandlung von Opfern und Tätern ist wesentlich, um eine bessere Implementierung der Maßnahmen zum Schutz und zur Sicherung von Kindern zu erreichen.“

„Dieser Bericht unterstreicht die Dringlichkeit, dass wir mehr tun, um unsere Kinder vor Schaden zu bewahren", sagte EU-Kommissar Tonio Borg für Gesundheit. „Vorsätzliche Verletzungen sind Gewalttaten, die verhindert werden können und müssen. Wir brauchen einen Schulterschluss auf nationaler und europäischer Ebene für einen umfassenden, auf Kinder ausgerichteten und in allen politischen Maßnahmen vorhandenen Gesundheitsansatz, um sicherzustellen, dass Kinder nicht unnötig aufgrund von Lücken im System leiden müssen.“

Weitere Informationen finden Sie unter childsafetyeurope.org